Limburg - Zum ersten Mal haben sich Stadtverordnete mit den utopisch anmutenden Plänen befasst, die zum Abbruch vorgesehene alte Lahntalbrücke der A 3 zu erhalten und zu bebauen.
Mit diesen Plänen hatte die Egenolf Prüftechnik und Grundbesitz GmbH aus Runkel-Steeden im Oktober auf Europas größter Immobilienfachmesse Expo Real großes Aufsehen erregt (die RLZ berichtete). „Inzwischen gibt es einen zweiten Vorschlag eines anderen Unternehmens, wie die Brücke für Wohn-, und Geschäftszwecke wiederverwendet werden könnte. Egenolf will Türme anhängen Geschäftsführer Albert Egenolf stellte im Ausschuss für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Verkehr seine Idee vor, an die Brücke vier Türme anzuhängen, in denen jeweils 5200 Quadratmeter für exklusives Wohnen, Büros und ein Hotel mit Konferenzräumen geschaffen werden könnten.
Die drei wichtigsten Voraussetzungen seien inzwischen geprüft worden und erfüllt: Nach Berechnungen von Fachleuten erfülle das Brückenbauwerk die statischen Bedingungen, die Zu- und Abfahrt könne über den bisherigen Anschluss Limburg-Süd erfolgen und die Lärmentwicklung halte sich in Grenzen. Es werde im Gegenteil Lärm von der neuen Brücke in Richtung Stadt abgeschottet. Die neu genutzte Brücke hätte den Nebeneffekt, dass sie auch von Radfahrern und Fußgängern genutzt werden könnte. Der Bund würde durch den unterbleibenden Abbruch 10 Millionen Euro sparen. „Lassen Sie uns die Brücke der Zukunft beschreiten", warb Egenolf bei den Stadtverordneten für das städtebaulich spektakuläre Projekt 60 Meter hoch über der Lahn.
Die seit zwei Jahren mit den Planungen befasste Diplom-Ingenieurin Jacqueline Schmidt, Geschäftsführerin des Erfurter Büros „M 1:1 entwerfen + planen GmbH", sagte: „Unsere Idee war es, für Limburg etwas Zukunftsweisendes zu machen und etwas für die Wirtschaftskraft der Stadt zu tun." Kaufverhandlungen mit dem Bund können nach Angaben der Expertin nur dann stattfinden, wenn sich die Stadt Limburg die Umsetzung eines solches Projekts vorstellen kann. Dafür bedürfe es des grundlegenden Einverständnisses der städtischen Gremien. Auf dieses Einverständnis wollten sich die Stadtverordneten am Dienstagabend im Ausschuss allerdings nicht festlegen lassen. Ihre Fragerunde war der Versuch, sich dem visionären Projekt langsam anzunähern, getreu der wiederholt ausgesprochenen Devise: „Es gibt keine Denkverbote." Selbst mit einem Beschlussvorschlag des Magistrats, die Initiative der Egenolf Prüftechnik und Grundbesitz GmbH zu unterstützen, sofern sechs vom Magistrat vorgegebene Voraussetzungen erfüllt würden, konnte sich der Ausschuss nicht anfreunden und sprach sich am Ende einmütig für einen zweiten Beratungsgang aus, der Mitte Februar stattfinden soll.
Die aufgeworfenen Fragen betreffen unter anderem die Bereitschaft des Bundes, die Brücke herzugeben, und ob das Land zur Änderung der erfolgten Planfeststellung bereit ist. Es wurde die Frage nach den Investoren gestellt, wer das Risiko trägt und in welcher Zeit ein solches Projekt wohl umgesetzt würde. Schließlich plant der Bund für Ende 2016/Anfang 2017 den Abbruch der Brücke. Sollte der Investor beziehungsweise Betreiber in die Insolvenz gehen, hätte die Stadt ein Riesenproblem. Fragen des Natur- und des Denkmalschutzes wären zu klären, und nicht zuletzt: Was werden die Bürger dazu sagen?
Bürgermeister will Konzept weiter konkretisieren lassen Bürgermeister Martin Richard vertrat die Auffassung, um die Pläne zur Kenntnis zu nehmen und der Firma Egenolf die Klärung der vom Magistrat vorgegebenen Fragen aufzutragen, wäre kein zweiter Beratungsgang erforderlich. Die genannten Punkte seien relativ neutral gehalten. Es solle Egenolf per Beschluss die Chance gegeben werden, die weiteren Voraussetzungen abzuklären und das Konzept für eine spätere Grundsatzentscheidung der Stadtverordneten zu konkretisieren. Selbst wenn alle Kriterien erfüllt seien, stünden die Chancen einer Verwirklichung bei 20 zu 80 oder 10 zu 90.
Der neue Vorschlag
Der Ausschuss für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Verkehr sah sich am Dienstag im Rathaus mit einem zweiten Vorschlag konfrontiert, wie die dem Abbruch geweihte alte Lahntalbrücke der Autobahn künftig einer sinnvollen Verwendung zugeführt werden könnte. Der Chef der im Messe- und Eventbau erfolgreichen Limburger Designagentur NA+1, Gunnar Zessel, zog wie aus dem Nichts eine Alternativplanung aus dem Hut. Zessel nennt sie einen „Vorentwurf zur nachhaltigen und integrativen Umnutzung der Lahntalbrücke" und bediente sich dazu des KonzeptLabor42, das die GreenLife Bridge (Grüne Brücke) Limburg vorstellte.
Im Unterschied zur Egenolf-Idee, Türme anzuhängen, baut dieses Büro die Brücke von unten nach oben auf und „berücksichtigt mit einer grünen Vertikalarchitektur Sensibilität für die städtebauliche Situation Limburgs", wie es Zessel ausdrückte. Die beiden Fachleute des Konzeptlabors, Diplom-Ingenieur Designer Sebastian Schmitt und der Diplom-Ingenieur Architekt Schefczik, hatten sich erst drei Wochen mit der Idee beschäftigt. Sie wollten „etwas Kuscheligeres machen" und kaschieren die dahinter in Richtung Eschhofen neu entstehende Brücke. Die Initiatoren sprechen von einem eigenen Stadtteil, den es auf 48 000 Quadratmetern zu gestalten gelte. Das Konzept garantiere eine geringe statische Belastung der Brücke. Die Architektur erlaube es, die Brücke auch von den Lahnwiesen aus zu besuchen. So bleibe der Bezug zum Tal erhalten. Neben Wohnzwecken könne sie auch gastronomischen Zwecken, Wellness und anderen Verwendungen dienen und Läden für die Nahversorgung beinhalten.
Zessel meinte, in späteren Jahren werde man von der „weltbekannten grünen Brücke" sprechen, die nach dem Dom das Symbol der Stadt Limburg darstelle. Aus Komplexität werde Ästhetik. Inwieweit solchen ebenso kreativen wie mutigen Plänen Chancen einer Umsetzung eingeräumt werden, darüber vermochte im Ausschuss niemand zu sagen, sodass die weiteren Diskussionen abgewartet werden müssen. flu